Testo Spiegelbild

Testo Spiegelbild

Spiegelbild Wenn ich mich so im Spiegel seh', dann krieg' ich oft 'nen Schreck. So siehst du aus, ganz aus der Näh'. Dann schau ich ganz schnell weg. Dann seh' ich doch noch einmal hin und freund' mich mit mir an. Seh' ich so aus, wie ich auch bin, ob man das feststell'n kann? Das erste, was mich interessiert, wie alt erschein' ich wirklich? Sieht man meine Jugend noch oder etwa nur bezirklich? Ich fühl' mich älter, als ich bin, ich ging schon viele Wege. Die Müdigkeit vergißt man schnell, doch nicht die Nackenschläge. Doch, Gott sei dank, sind die noch nicht mir ins Gesicht geschrieben. Und auch, zum Glück, die Spuren nicht von den diversen Lieben. Gesicht und Mensch soll Eines sein, so sagt man doch gewöhnlich. Ich glaub, das trifft bei mir auch zu. Ich find, ich seh' mir ähnlich. Was denkt nun einer, der mich sieht? Oder besser noch, eine? Verrät mein Blick auch mein Gemüt? Oder schafft er's nicht allein? Nee. Sieht an an meiner Nase schon die ersten Rotweinspuren? Verrät mein Bärtchen die Geduld liebevoller Rasuren? Die Spuren der Vergangenheit, die langdurchliebten Nächte, das interessiert mich jetzt zur Zeit. Ist, was ich wissen möchte. Und überhaupt die Gegenwart. Ich sag's ganz unverholen, ich such' und such' und find' sie nicht, des Ruhmes Gloriolen. Ach ja! Doch etwas Gold ist ja zu sehen. Es glänzt so matt und stille. Bescheiden, wie's dem Sänger ziemt, der Rahmen meiner Brille. Die langen Haare lieb' ich sehr und acht' auf ihre Reinheit. Jüngst traf ich meinen Kommandeur von der ehemaligen Einheit. Der sah erst mich und dann das Haar. Dann kam ihm eine Träne. "Ich hätte Sie fast nicht erkannt, mit dieser langen Mähne." "Sie sehen das", sprach ich zu ihm, "wahrscheinlich nur didaktisch. Die Waffe wirkt auf Mädchen nicht strategisch sondern taktisch." "Lakomy", sagt er, "dann viel Spaß", wie er sich dann entfernt. "Die Antwort zeigt mir klipp und klar, Sie haben's noch nicht verlernt." Ja, wenn man in den Spiegel schaut, dann kommt man leicht ins Denken. Man ist sich fremd und doch vertraut, man sollte sich das schenken. Doch hat man Mut und schaut sich an, ohne sich zu genieren, beginnt man schon nach kurzer Zeit, ganz schön zu retuschieren. Allmählich irrst du dann heraus, das eigne Bild, das echte. Man sieht sich nicht mehr, wie man ist, nein so, wie man sich möchte. Die Wahrheit siegt, der Spiegel lügt. Die Wahrheit siegt, der Spiegel lügt. Die Wahrheit siegt, der Spiegel lügt. Der Spiegel lügt. Der Spiegel lügt. Lügt. Lügt. Lügt.
Testi Reinhard Lakomy