Testo Das kleine Testament

Testo Das kleine Testament

Im Jahre fünfundzwanzig meines Lebens, als ich noch

sehr rüstig auf den Beinen war

und durch die Landschaft fuhr, nicht etwa wie ein üblicher Scholar,

der heute betteln geht und morgen schon im Loch
bei Brot und Wasser brummt ... oh, nein!

Villon war auch in diesem Falle zwar kein Tugendheld,

doch hat er sich noch nie mit einer Pulle Wein

zum Abendbrot begnügt, er nahm auch Reisegeld.



In diesen fetten Erdenjahren also kam

mir eines Tages das Gefühl, daß ich

wohl einen dicken Trennungsstrich

einbrennen muß in mein Bisher und ohne Gram

von manchem Abschied nehmen muß, was sehr nett

und friedlich war. Es hat ja keinen Sinn,

daß man in jedem Winkel gleich sein Bett

aufschlägt und sich den Sauerkohl rasiert vom Kinn.



Ich habe wirklich allen Grund,

die alte Liebe endlich abzubauen.

Nur ihretwegen hat mich ein verfluchter Hund

mit seinem Säbel grün und blau gehauen.

Ich habe mich gewehrt und biß ihm flott

die Nase ab. Doch sie, die hinterlistige Marie,

lag hinterm Busch und lachte sich kapott.



Ich habe jetzt für alle Zeit genug von ihr

und fordere Gerechtigkeit,

ich bin noch lange nicht ihr Trampeltier,

auch wenn sie nächtelang nach meiner Liebe schreit.

Die wieße Larve lügt, wenn sie mich küßt,

und wenn ich glaube, daß sie mich mit ihrer Liebe meint,

schmeckt ihr Gebiß schon längst ein anderes Gelüst

und denkt: das ist doch gar nicht so gefährlich, wie es scheint.



Verdammt! Sie hat mich dem Gericht

verraten um ein Silberstück.

Die Narbe quer durch mein Gesicht,

verdank ich ihr, und kann von Glück

noch sagen, daß ich nicht das Augenlicht dabei verlor.

Wer weiß, ob morgen nicht mein Frühstückswein

mit Gift veredelt ist, damit ich Tor

herniederfahr zu Wurm und Stein.



Was bleibt mir andres noch zu tun,

als abzureisen Knall und Fall,

vielleicht erblüht mir bald ein neues Huhn

in einem Bauernstall,

vielleicht auch reise ich mit einem Ruderboot

nach Samarkand

und nähre mich mit Affenbrot

und werde Elefant.



Ich habe zu den wilden Tieren immer schon

mich hingesehnt, ich habe, als der Herr mich schuf

aus einem grauen Haufen Ton,

vielleicht den Sammelruf

der Dromedare überhört, als Löwe hätte ich wahrscheinlich längst

mein Glück gemacht im Mohrenland

und fräße nur das Herz von einem Steppenhengst

und hätte immer neue Freuden an der Hand.



Zum Beispiel einen grünen Wiesenstrich

mit Kletterbäumen, leichter als der Wind.

Und mit den weißen Wolken flöge ich

so hoch, wie die Gestirne sind.

Auch in den Flüssen lebt es sich nicht schlecht,

mit nacktem Leib so braun wie Wachs,

da möcht man sein ein schlanker Hecht

ein Haifisch oder besser noch ein Lachs.



Die Menschenart hat sicher ein Jahrtausend noch.

Dann klafft ein großes Hungerloch

und nichts bekommt man mehr für Geld.

Auch die Dukaten, die der Staat

auf meinen Kopf hat ausgesetzt,

es lohnt nicht, daß man für das bißchen Draht

auf meine Spur die scharfen Hunde hetzt.



Es ist nur schade für die Zeit, die ihr versäumt,

denn mit dem Sack, auf den ihrs abgesehn habt,

hat längst der Hunger aufgeräumt.

Ich war noch nie so ausgelaugt und abgeschabt,

ich lobe die Kartoffeln, denn sie sind

in diesem Jahr so gut geraten wie noch nie;

ich freue mich, wenn sie braten, wie ein Kind

und spüre kaum die Stiche in dem steifen Knie.



Auf alle Fälle hat Villon sein Testament gemacht;

es ist, wie schon gesagt, nicht viel, was von ihm übrig bleibt,

jedoch genug, daß sich die Welt ins Fäustchen lacht

und eine Schmähschrift schreibt.

Das schönste Stück jedoch, mein Herz,

hab ich für meine Mutter reserviert,

man lege es ihr zoll- und steuerfrei so um den Hals,

daß sie's in Ewigkeit nicht mehr verliert.



Auch wenn mein Leib schon längst zerfressen ist

mit einer Schar von Würmern drin,

am Ende denkt man doch:

wo du nicht bist, Herr Jesus Christ,

lebt man nur wie ein Vieh dahin.

In diesem Sinn, ihr Freunde, gute Nacht.
Testi Klaus Kinski