Testo Harald

Testo Harald

Zum zweiten Geburtstag, da kriegtest du mich. Du wolltest 'nen Teddy. Und ich wollte dich! Lag mit dir im Bettchen, saß auch im Versteck. Du backtest mir Kuchen aus Modder und Dreck. Hab jedes Geheimnis von dir gleich gewußt und trug es verschwiegen in der Holzwollebrust. Du nanntest mich: Harald! Nicht "Teddy", nur Harald. Sonst heißen wir Schnurzel und Pinky und Purzel, doch ich war der Harald für dich. Fuhrst du in die Ferien, blieb ich nicht zu Haus. Ich guckte ganz oben zum Rucksack heraus. Kamst du aus der Schule, dann zeigtest du mir, wieviel zwei mal zwei ist. Ich weiß es noch: Vier! Und gab es Probleme, wir hielten zusamm', war für deine Tränen der richtige Schwamm. Dann riefst du nach Harald, nach mir, deinem Harald. Du riefst nicht nach Mama, nicht Papa, noch Oma, dann brauchtest du Harald für dich! Jetzt nimmst du so'n Kerl mit in unser Versteck. Ich klemme im Wandschrank hier zwischen Gepäck. Daß du mich so fall'n läßt, kam alles so schnell. Ich kriege vor Ärger schon Motten im Fell. Und Holzwolle quillt aus dem offenen Bein. Wie ich dich verachte! Du bist so gemein! Komm bloß nicht mit: "Harald! Mein lieber Freund Harald!" Jetzt lauf doch zu Frieder, Rand und Hans-Dieter. Ich mach nicht den Harald für dich! Ha, wenn der nur wüßte, was ich alles weiß ... Du sabberst beim Schlafen und grünzt dabei leis. Und wie oft du heul'n mußt, das ist nicht normal. Erzählst so viel Blödsinn! Es ist eine Qual. Der is' nicht zu beneiden! Ha, der wird schon sehn! Der wird dir beizeiten den Rücken zu dreh'n ... Da ruft jemand: "Harald!!!" Du suchst deinen Harald! Du hältst mich umfangen, ganz naß deine Wangen, na klar, du brauchst Harald für dich!
Testi Gerhard Schöne